Ein pauschales nächtliches Alkoholverbot für die gesamte Stadt hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in seinem heutigen Urteil gekippt. Der VGH hält ein solches Instrument zwar zur Eingrenzung der Coronavirus-Verbreitung für sinnvoll. Es müsste aber auf die Hotspots begrenzt werden. Das Alkohlverkaufsverbot außer Haus am Abend ist von diesem Urteil nicht betroffen. Der Stadtrat in München hat beschlossen, eine neue Verordnung auszuarbeiten, die Verbote nur für bestimmte, besonders belebte Orte vorsieht.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof VGH

(Update 23.9.2020) Der Stadtrat hat am Montag beschlossen, dass die Stadtverwaltung beauftragt wird, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine neue Allgemeinverfügung zu erlassen, die den Konsum sowie den Verkauf von Alkohol to go im Umgriff von sogenannten Hotspots ab einem Inzidenzwert von 35 zeitlich begrenzt verbietet. Der aktuelle Inzidenzwert für München liegt momentan mit 32,42 knapp darunter.

Die SPD/Volt-Fraktion im Münchner Stadtrat hat mit ihrem Koalitionspartner Die Grünen – Rosa Liste in einem Antragspaket ein Konzept vorgelegt, wie ein sicheres Zusammenkommen möglich und gleichzeitig das Infektionsgeschehen weiter unter Kontrolle zu halten ist.

Nach dem Willen der Grüne/SPD-Koalition im Münchner Stadtrat sollen  im Herbst und Winter wettergeschützte Orte geschaffen werden, an denen sich junge Leute ohne Konsumzwang und ohne sozialpädagogische Betreuung treffen können. Dazu haben sie ein Antragspaket im Stadtrat eingebracht. Hierzu kommen etwa die Messehallen, Räumlichkeiten der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) oder auch die Säle der Kulturzentren in Frage. Auch die Münchner Freizeitstätten sollten entsprechend einbezogen werden.

An beliebten öffentlichen Plätzen und Grünflächen stellt sich die SPD digitale Füllstandsanzeigen vor: Ein Ampelsystem zeigt dann auf den ersten Blick, ob die Örtlichkeit schon von zu vielen Menschen besucht ist oder ob noch ausreichend Platz vorhanden ist. Ein solches Meldesystem kann präventiv eine Überfüllung der bekannten Hotspots verhindern.

Außerdem plädiert die SPD/Volt-Fraktion dafür, an geeigneten Orten im öffentlichen Raum Sitzgruppen einzurichten, die jeweils genauso vielen Menschen Platz zum Treffen bieten, wie die aktuellen Corona-Regelungen es zulassen. So können Gruppen auf einen Blick erkennen, ob für sie noch genug Platz ist – wie im Biergarten nur ohne Konsumzwang.

(Erstmeldung 1.9.2020) Ein Rechtsanwalt hatte gegen das nächtliche Alkoholkonsumverbot der Stadt München geklagt. Am 1. September 2020 hat der BayVGH beschlossen, dass dies für das gesamte Stadtgebiet nicht rechtens ist. Der Gerichtshof hat damit die am vergangenen Freitag ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts München bestätigt, das einem Eilantrag des Antragstellers gegen das Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit stattgegeben hatte.

Die Stadt hatte mit Allgemeinverfügung vom 27. August 2020 angeordnet, dass ab dem Tag, an dem ein 7-Tages-Inzidenzwert für Neuinfektionen mit SARSCoV-2 von mindestens 35 pro 100.000 Einwohner in München erreicht wird, für die Dauer von 7 Tagen der Konsum von alkoholischen Getränken im öffentlichen Raum zwischen 23 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages verboten ist. Der Schwellenwert wurde am selben Tag erreicht und das Alkoholkonsumverbot war damit ein Kraft getreten.

Das Verwaltungsgericht ordnete im erstinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage des Antragstellers gegen das Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit an. Die von der Landeshauptstadt hiergegen eingelegte Beschwerde wurde abgelehnt. 

Der BayVGH führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass das Verbot des Alkoholkonsums im öffentlichen Raum als notwendige Schutzmaßnahme voraussichtlich auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gestützt werden könne. Sie sei zwar ein geeignetes Mittel, um der Verbreitung des Corona-Virus entgegenzuwirken, weil sie dazu beitrage, Menschenansammlungen zu verhüten. Hinzu komme, dass Alkoholkonsum im Einzelfall aufgrund seiner enthemmenden Wirkung zu im Hinblick auf den Infektionsschutz problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) im Rahmen einer Ansammlung führen könne.

Die Regelung der Allgemeinverfügung erweise sich aber als nicht erforderlich und damit als unverhältnismäßig, soweit sie sich auf das gesamte Stadtgebiet erstrecke. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Beschränkung des Konsumverbots
für alkoholische Getränke auf einzelne stark frequentierte Örtlichkeiten des öffentlichen Raums („Hotspots“) ein gleich geeignetes, den Adressatenkreis weniger belastendes Mittel darstelle. Der Stadt stehe es frei, einer etwaigen Verlagerung auf „Ausweichflächen“ durch Anpassung des räumlichen Geltungsbereichs der zeitlich ohnehin kurz befristeten Allgemeinverfügung Rechnung zu tragen.

Gegen den Beschluss des BayVGH gibt es keine Rechtsmittel.

(BayVGH, Beschluss vom 1. September 2020, Az. 20 CS 20.1962)