Das Verwaltungsgericht München (VG) hatte am 17. Januar 2022 die Allgemeinverfügung der Stadt München als unzulässig erklärt, in der nicht angemeldete Spaziergänge der Gegner von Corona-Maßnahmen untersagt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat dann das Urteil wieder gekippt. Zwei Tage später das gleiche Spiel: Erst Aussetzung vom VG, dann wird vom BayVGH die Position der Stadt bekräftigt. 

Ein großes Polizeiaufgebot unterbindet als Spaziergänge getarnte Aufmärsche von Querdenkern am Marienplatz in München, Quelle Foto Imago/Thomas Vonier

(Update 20.1.2022) Am 19. Januar hat das VG München am späten Nachmittag einen neuen Eilantrag eines Antragstellers gegen die Verfügung gebilligt. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat dann beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde eingelegt. Die Richter dort hoben den VG-Beschluss wieder und setzten die Allgemeinverfügung wieder in Kraft. Sie halten das Versammlungsverbot für unangemeldete Corona-Spaziergänge für rechtens. Nach den Erfahrungen in den letzten Wochen, in denen die Corona-Maßnahmengegner ohne Anmeldung, ohne Versammlungsleiter, ohne Masken und Abstände kreuz und quer durch die Innenstadt gezogen sind, sei nur mit präventiven Maßnahmen die Gefahr zahlreicher Covid-Infektionen verhinderbar, so der Gerichtshof. 

Am Abend waren in der Altstadt wieder etwa 2.000 Querdenker bei einem Corona-Spaziergang unterwegs. Zu größeren Störungen ist es nach Angaben der Polizei nicht gekommen. Wegen dem Hin und Her bei der Rechtslage an dem Mittwochabend hatte sich die Polizei mit exekutiven Maßnahmen zurück gehalten. Es waren wieder 1.000 Beamte im Einsatz. 


(Update 17.1.2022, 23.20 Uhr)  Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München hatte nur kurze Zeit Bestand. Am späten Abend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschieden, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wegen eines Formfehlers revidiert wird. Die Antragsteller konnten dem Gericht nicht begründen, dass sie auch antragsberechtigt sind. Denn ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis gemäß Verwaltungsgerichtsordnung fehlt, wenn die Antragsteller vor Anrufung des Gerichts für den Spaziergang am 13. Januar keinen entsprechenden Antrag bei der Behörde (Kreisverwaltungsreferat) gestellt haben. 

Im Klartext heißt das, dass die Allgemeinverfügung der Stadt auch für den kommenden Mittwoch 19.1.2022, gelten wird. Für diesen Tag haben die Querdenker eine Veranstaltung auf der Theresienwiese angemeldet, wo sie sich aber lediglich treffen wollen, um dann zu einem Demozug durch die Innenstadt aufzubrechen. Ob eine fortbewegende Versammlung vom KVR in der beantragten Form genehmigt wird, ist noch offen. Wenn ja, greift die Allgemeinverfügung der Stadt nicht, da es sich dann um eine genehmigte Veranstaltung handeln würde. Wenn nein, dann wird man sich wohl in Kürze wieder vor dem Verwaltungsgericht treffen. 


(Erstmeldung 17.1.2022, 20.30 Uhr) Der Bayerische Verwaltungsgericht München hat in einer Eilentscheidung am 17. Januar 2022 die Allgemeinverfügung der Stadt München gekippt, in der nicht angemeldete Corona-Spaziergänge von Querdenkern verboten worden sind. Das Gericht sieht darin ein “faktisch präventives Versammlungsverbot”. 

Die Antragsteller hatten sich darauf berufen, dass mit der Allgemeinverfügung das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden sei. Denn, so argumentiert die das Verwaltungsgericht, auch nicht angezeigte Versammlungen würden unter dem Artikel 8 des Grundgesetzes stehen. Das Gericht verweist in dem Zusammenhang auf eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf. Demnach dürfen Versammlungen auch nicht wegen fehlender Anmeldung aufgelöst werden. Dies gelte auch für Versammlungen, bei denen “eine Anmeldung gezielt unterlassen worden ist”, wie es die Querdenker mit den Corona-Spaziergängen in München praktizierten.

Das Verwaltungsgericht lässt außerdem die Argumentation der Stadt nicht gelten, dass trotz einer sich epidemisch verschärfenden Lage wegen der Omikron-Variante sämtliche unangezeigte Versammlungen einen infektionsschutzrechtlich unvertretbaren Verlauf nehmen würden. Wörtlich begründet das Gericht: “Ein vollständig präventives Verbot aller Ausdruckformen des Protests, das schematisch an die Anzeigepflicht des Art. 13 des Bayerischen Versammlungsgesetzes anknüpft, mit der Folge, dass auch in die Versammlungsfreiheit von Nichtstörern eingegriffen wird, käme nur unter den Voraussetzungen eines polizeilichen Notstandes in Betracht.” Dieser liege aber nicht vor. (AZ M33S22.185)

Eine Reaktion der Stadt München auf das Urteil steht noch aus. 

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ermunterte die Kommunen zum Verbot

Innenminister Joachim Herrmann (CSU)  hatte am 24.12.21 verkündet, dass die Kommunen als “Spaziergänge” getarnte Querdenker-Demonstrationen anstatt angemeldeter Versammlungen nicht dulden müssen. “„Wenn der Stadt eine solche Aktion bekannt ist, hat sie die Möglichkeit, schon im Vorfeld mit einer Allgemeinverfügung bestimmte Auflagen zu bestimmen. Wenn sich die Teilnehmer nicht daran halten, müssen sie mit einem Bußgeld rechnen.“ Die Stadt München hatte darauf reagiert und die unangemeldeten Spaziergänge verboten und als stationäre Kundgebung auf die Theresienwiese verlegt. Das wollten die Veranstalter, die gegen die Corona-Verordnungen und eine Impfpflicht sind, nicht akzeptieren. In einschlägigen Telegram-Gruppen wurde aktiv für nicht angemeldete Spaziergänge jeweils am Mittwoch durch die Innenstadt geworben. Bis zu 5.000 Personen, überwiegend von auswärts angereist, zogen quer durch die Stadt, ohne dass ein Versammlungsleiter bestimmt war, Ordner eingeteilt oder grundlegende Infektionsschutzmaßnahmen eingehalten worden waren. Die Polizei war mit bis zu 1.000 Beamten im Einsatz.