Seit Mitte der 1970er Jahren hat ein Patentanwalt das Institut für Rundfunktechnik (IRT), bei dem der Bayerische Rundfunk (BR) Gesellschafter ist, um sage und schreibe 100 Millionen Euro geprellt. Von dem Skandal betroffen sind auch die Zahler von Rundfunkgebühren. Denn das geschädigte IRT in München finanziert sich aus Erträgen der Verwertung von Patenten. Der Hauptanteil wird aber von den ARD-Gesellschaften aus Rundfunkgebühren beigesteuert.

Bayerischer Rundfunk München
Bayerischer Rundfunk München

Der Bayerische Rundfunk hat bei der Staatsanwaltschaft München I Strafanzeige gegen einen ehemaligen Patentanwalt erstattet, der das IRT seit Mitte der 1970er Jahren in patentrechtlichen Fragen beraten hat. Gegenstand der Anzeige sind korruptive Untreuehandlungen zu Lasten des IRT. Der Beschuldigte wird verdächtigt, sich über Jahre selbst bereichert und das IRT um Erträge im dreistelligen Millionenbereich geprellt zu haben. Aufgefallen war das bislang niemand. Wie der Patentanwalt aufgeflogen ist, hat der BR nicht mitgeteilt.

Als Patentanwalt war der Anwalt über Jahrzehnte für die Verwertung der Patentrechte am IRT verantwortlich. Das IRT lässt seine Patente seit Mitte der 1990er Jahre von einer internationalen Patentverwertungsgesellschaft verwerten. Das IRT legt dem Beschuldigten zur Last, diese Tätigkeit mit hoher krimineller Energie ausgenutzt zu haben, um sich auf Kosten des Instituts selbst zu bereichern.

Konkret besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte für das IRT besonders nachteilige Verträge mit einer internationalen Verwertungsgesellschaft, die das Patentportfolio des IRT verwertet, herbeigeführt hat. Dadurch hat das IRT im erheblichen Umfang nicht an Erlösen partizipiert, die mit einem Teil der verwerteten Patente erzielt wurden. Unter Ausnutzung seiner Verhandlungsposition soll der Beschuldigte stattdessen eigene Verträge mit der Verwertungsgesellschaft geschlossen und auf diesem Wege Erlöse von mindestens 100 Millionen Euro für sich vereinnahmt haben. Während die Verwertungsgesellschaft die Verwertungserträge über die Jahre hinweg kontinuierlich in erheblichem Umfang steigern konnte, soll das IRT deshalb weitaus geringere Erlöse erhalten haben, als ihm zugestanden hätten. Ein Teil der Erlöse soll dabei dem Beschuldigten über die Verwertungsgesellschaft zugeflossen sein.

Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt nun wegen des dringenden Verdachts der mehrfachen Untreue in einem besonders schweren Fall, wegen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall sowie wegen Parteiverrats zu Lasten des IRT.

Das IRT befasst sich als gemeinsames Forschungsinstitut von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutsche Welle, ORF und SRG mit der Medien- und Kommunikationstechnologie der Zukunft und hat etwa mit Videotext, Blue-Screen-Verfahren oder der MPEG-Audiocodierung, bekannt als MP3 für digitales Audio, bereits international Meilensteine in der Rundfunk- und Fernsehtechnik gesetzt. Seit Mitte der 1990er Jahre lässt das Institut seinen Besitzstand an Patenten verwerten. Die Lizenzeinnahmen, die das IRT am freien Markt erzielt, tragen wesentlich zur Finanzierung der Forschungsarbeiten bei. Mehr als 50 Prozent der Einnahmen finanzieren die Rundfunkanstalten, also letztendlich die Gebührenzahler. Wären die Gelder eingenommen worden, hätte sich der Finanzierungsbedarf der Sender verringert und die Gebührenzahler entlastet. 

Neben der Einschaltung der Staatsanwaltschaft hat der Bayerische Rundfunk in seiner Zuständigkeit als Sitzanstalt alle rechtlichen Möglichkeiten ergriffen, um eine Rückerstattung der dem IRT entgangenen Mittel in vollem Umfang zu erwirken und den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Mit der zivil- und strafrechtlichen Vertretung haben der BR und das IRT zwei renommierte Münchner Anwaltskanzleien beauftragt. Das Vermögen des Patenanwalts wurde bereits mit einer vorläufigen Entscheidung des Landgerichts München I durch einen Arrestbefehl gesichert. Erste strafprozessuale Maßnahmen wurden ebenfalls eingeleitet.