Vor 75 Jahren wurden die Überlebenden der Massenvernichtung von Juden aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit. Was 25 Jahre zuvor im Jahr 1920 mit der Hetze gegen Juden begann und mit der in München ausgerufenen Reichspogromnacht 1938 einen ersten traurigen Höhepunkt erreichte, endete mit dem industriellen Völkermord von 6 Millionen Juden. 

Historische Postkarte Münchner Kindlbräukeller in der Rosenheimer Straße
Historische Postkarte Münchner Kindlbräukeller in der Rosenheimer Straße

Erste Reden vor kleinerem Publikum hatte der ehemalige Gefreite Adolf Hitler in München schon geschwungen, nachdem er 1919 in die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) eingetreten war. Seinen ersten Auftritt vor einem großen Publikum hatte er dann im Januar 1920 im Münchner Kindlkeller. Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund (DVSTB) hatte zur ersten großen antisemitischen Massenveranstaltung geladen und 7.000 Zuhörer waren gekommen. Hitler nutzte die Gunst der Stunde und meldete sich zu Wort. In seinem Redebetrag sagte er unter anderem: “Der größte Schuft ist nicht der Jude, sondern der, der sich den Juden zur Verfügung stellt.” In seiner NSDAP-Chronik schreibt Paul Bruppacher dazu: “Hitler erlebt an diesem Abend erstmals die hypnotisch-suggestive Wirkung antisemitischer Hetzparolen auf eine hochgradig erregte Zuhörerschaft.

Getragen von der positiven Resonanz setzt Hitler eine Großkundgebung der DAP im Hofbräuhaus durch, obwohl die Vorläuferpartei der NSDAP zu diesem Zeitpunkt gerade einmal ein paar Dutzend Mitglieder hatte. Gespeist aus dem Sammelbecken der reaktionären, nationalistischen und antisemitischen Kreise in München kamen am 24. Februar 1920 2.000 Besucher zu dieser Kundgebung. Die Saat ging auf, hauptsächlich deshalb, weil nach der Räterepublik es die Rechten erfolgreich verstanden hatten, die Rädelsführer als “jüdische Intellektuelle” zu verkaufen. 

In der Versammlung der DAP im Februar 1920 verkündete Hitler ein 25-Punkte-Programm. Fünf Punkte waren dabei antisemitisch geprägt. Darin ist festgeschrieben, dass sie aus der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen werden. Auch das Einwanderungs-Verbot für Ausländer in Punkt 8 bezog richtete sich gegen die Juden. Punkt 23 wendete sich gegen die “Lügenpresse” und forderte die Einführung einer Pressezensur. Eine finanzielle Beteiligung an Verlagen oder die journalistische Arbeit von Juden sollte unterbunden werden. An diesem Abend wurde zudem die Umbenennung von DAP in NSDAP bekannt gegeben. 

Viele dieser Punkte, die die jüdische Bevölkerung betrafen, wurden später politische Wirklichkeit, wie der Entzug der Staatsbürgerschaft in den Nürnberger Gesetzen im Jahr 1935 und die systematische Deportation aus Deutschland, die in in den Vernichtungslagern unter anderem in Auschwitz-Birkenau endete. Am 75. Jahrestag der Befreiung der Überlebenden aus diesem Konzentrationslager wird vielfach auf den aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland verwiesen. Über 100 antisemitische Vorfälle von Beleidigung über Schmierereien bis hin zu tätlichen Übergriffen hat die Polizei in München im letzten Jahr registriert. Befeuert wird dies auch  durch das Relativieren des Holocausts, bei dem Vertreter einer im Bundestag vertretenen Partei vom “Vogelschiss der Geschichte” oder der Forderung nach einer “erinnerungspolitischen Wende” sprechen. 

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, sagte dazu bei den Gedenkfeierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau: “Die Erinnerung an die NS-Zeit verblasst immer mehr, Orte wie Auschwitz werden zu schrecklichen Fußnoten der Geschichte. Das ist ein Trend, der mich aufs Äußerste besorgt – gerade angesichts eines wiederaufflammenden Judenhasses in Europa und besonders auch in Deutschland.“ Der Münchner Stadtrat Marian Offman (SPD) fordert: “Im Holocaust wurden 6 Mio Jüdinnen und Juden ermordet. Davon 1 Mio Kinder! „Ich selbst habe in der Shoah Familienangehörige verloren. Es kann nur eine Konsequenz geben. Nie wieder! Dazu gehört, dass wir gegen Rassismus in unserem Land aufstehen.” 

Robert Allmeier