Altoberbürgermeister Georg Kronawitter ist eine Woche nach seinem 88. Geburtstag nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Er war von 1972 bis 1978 und von 1984 bis 1993 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München.

Altoberbürgermeister Georg Kronawitter
Altoberbürgermeister Georg Kronawitter

Mit einem Beileidsschreiben hat am Freitag Oberbürgermeister Dieter Reiter Hildegard Kronawitter zum Tod ihres Ehemannes, Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter, kondoliert: „Mit großem Bedauern und Bestürzung habe ich erfahren, dass Schorsch Kronawitter, unser allseits geschätzter Altoberbürgermeister und Ehrenbürger verstorben ist. Zu diesem schmerzlichen Verlust spreche ich Dir und allen Angehörigen im Namen des Stadtrats der Landeshauptstadt München und persönlich das allerherzlichste Mitgefühl aus.” Reiter in seinem Brief daran, dass Kronawitter bereits vor seiner kommunalpolitischen Karriere als engagierter Kritiker des “Bodenunrechts” galt, als er sich für die Rechte der Kleinbauern gegen den Milliardär August von Finck einsetzte.

Am 1. Juli 1972 hat “Schorsch” Kronawitter das Amt des Münchner Oberbürgermeisters angetreten. Nach dem unrühmlichen Intermezzo (1978 – 1984) des CSU-OB Erich Kiesl wurde Kronawitter 1984 mit einem überragenden Ergebnis wieder zum OB gewählt, das er bis 1993 ausübte. Reiter zieht eine positive Bilanz der 15 Amtsjahre: “Er hat sich vor allem als ,Anwalt der kleinen Leute‘‚ als ,Robin Hood der Finanzpolitik‘ oder als ,Volksoberbürgermeister‘ einen Namen gemacht, weil er sich immer für die Schwächeren in unserer Gesellschaft engagierte und sich beispielsweise für besseren Mieterschutz und mehr Steuergerechtigkeit einsetzte. Er förderte die Errichtung von Kinderspielplätzen und Kindergärten ebenso wie die Sanierung und den Neubau von Schulen. In seiner Amtszeit konnte er das Kulturzentrum Gasteig mit Konzertsaal, Stadtbücherei, Volkshochschule und Konservatorium eröffnen. Ebenso hat er die Weichen gestellt für das Literaturhaus am Salvatorplatz und die kulturelle Nutzung der Muffathalle. Er hat ökologische Probleme früher erkannt und aufgegriffen als andere. In seiner Amtszeit kam mehr Grün in die Stadt: Der Westpark wurde beschlossen, der Ostpark erweitert, die Drei-Seen-Platte ausgestaltet, der heutige Oberföhringer Bürgerpark und der Behrpark in Berg am Laim wurden dauerhaft gesichert und Tausende von Bäumen gepflanzt. Auch mit dem Ausbau der Fernwärme machte München im Umweltschutz einen wichtigen Schritt nach vorne. 127.000 Wohnungen wurden in der Amtszeit von Georg Kronawitter gebaut, viele neue Arbeitsplätze sind in München entstanden. Auch die Voraussetzungen für die Verlagerung der Messe München von der Theresienhöhe nach Riem wurden in seiner Amtszeit geschaffen.”

1993 wurde der Alt-OB zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.  OB-Reiter verspricht in dem Beileidsschreiben an Hildegard Kronawitter: “Die Landeshauptstadt München wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren und sich seiner immer in großer Dankbarkeit erinnern.”

Auch die Bayerische Landtagsfraktion mit dem Fraktionsvorsitzenden Markus Rinderspacher an der Spitze trauern den früheren Landtagsabgeordneten Kronawitter. Rinderspacher: “Die Nachricht vom Tode von Georg Kronawitter hat mich sehr getroffen. In vielen persönlichen Begegnungen habe ich Georg Kronawitter als vorbildlichen Menschen, leidenschaftlichen Politiker und kämpferischen Sozialdemokraten kennengelernt. Als väterlicher Freund und Nachbar im Münchner Osten hat mir Schorsch bis zuletzt viele wertvolle politische Hinweise gegeben. Sein Rat und seine Menschlichkeit werden uns allen fehlen, sein Handeln bleibt uns Vorbild.”

Im Landtag machte sich Georg Kronawitter ab 1966 einen Namen als Streiter für die Sache der bayerischen Landwirte. 1970 hatte Kronawitter zudem gemeinsam mit den Abgeordneten Wilhelm Hoegner und Reinhold Kaub den Aufsehen erregenden Entwurf eines “Bayerischen Naturschutzgesetzes” im Landtag eingereicht, das unter anderem den Schutz von Flora und Fauna und die Erhaltung des Naturhaushalts zum Ziel hatte.

Angetrieben vom Streben nach sozialer Gerechtigkeit legte sich Kronawitter im Landtag auch als hartnäckiger Aufklärer furchtlos mit dem Milliardär August von Finck an, als sich das Parlament mit den Vorgängen um die Landabgaben Fincks im Zuge der Bodenreform nach dem Krieg befasste. Kronawitter damals: “Jeden Morgen, wenn Herr von Finck wach wird, ist er um eine Million reicher. Es steht ja schon in der Bibel: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlafe.”

Der Fraktionschef der SPD im Münchner Stadtrat, Alexander Reissl, erklärt zum Tod von Kronawitter: “Der Tod von Georg Kronawitter ist ein großer Verlust für München und für die Sozialdemokratie. Er war ein Mensch, der sich stets für die kleinen Leute eingesetzt hat. Schorsch Kronawitter war ein kämpferischer Politiker, ein Mann mit klaren Zielen, für die er mit seiner ganzen Kraft eintrat – auch im hohen Alter noch. Sein Kampfgeist hat sich nicht zuletzt auch daran gezeigt, dass er 1984 das Oberbürgermeisteramt für die SPD zurückeroberte. Er hieß der ,grüne Schorsch’, zu einer Zeit als es Grün als politische Farbe noch gar nicht gab. Das Thema Begrünung in der Stadt war ihm während seiner ersten Amtszeit ein wichtiges Anliegen. So hat er zum Beispiel die  Internationale Gartenbauausstellung nach München geholt und damit den Westpark ins Leben gerufen. Wir wünschen Georg Kronawitters Familie viel Kraft für diese schwierige Zeit und sind dankbar für alles, was er für unsere Stadt und auch für die SPD getan hat.”

Der Vorsitzende der Münchner CSU, Dr. Ludwig Spaenle, würdigt Kronawitter mit den Worten: “Er war eine prägende Persönlichkeit Münchens. Er hat sich weit über die Parteigrenzen hinaus Anerkennung und Respekt erworben. Unser Mitgefühl gilt seiner Gattin und seiner Familie.”

Die Vita von Georg Kronawitter:

Geboren wurde Georg Kronawitter am 21.04.1928 in Oberthann, Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm. Er besuchte die Volksschule 1934 bis 1942 in Niederthann, die Landwirtschaftliche Berufsschule 1942 bis 1944 in Schweitenkirchen und die Lehrerbildungsanstalt 1944 in Zangberg bei Mühldorf. Während des Zweiten Weltkriegs kam er im Spätherbst 1944 in ein Wehrertüchtigungslager und dann zum Reichsarbeitsdienst (RAD) bis Kriegsende 1945. Nach der Gefangennahme durch die Amerikaner floh er in der dritten Nacht und schlug sich nach Hause durch.

Danach war er Bäckerlehrling bei seinem Onkel Lorenz Kronawitter in München bis April 1946, setzte seine Ausbildung in der Lehrerbildungsanstalt 1946 bis 1949 in München-Pasing fort, legte die 1. und 2. Lehramtsprüfung 1949/1951 in München ab und war Lehramtsanwärter 1949 bis 1951.

Nach dem Externenabitur 1952 in München begann er ein Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität 1952 bis 1956 (Wirtschaftswissenschaften und Pädagogik), schloss als Diplom-Handelslehrer 1956 ab und wurde Lehrer an kaufmännischen Schulen in München 1956 bis 1962

In die SPD trat er erst mit 34 Jahren – im Januar 1962 – ein. Waldemar von Knoeringen, der damalige Landesvorsitzende der SPD, holte den jungen Studienrat zur Schaffung eines agrarpolitischen Referats. 1966 zog er in den Landtag ein, wurde schnell wegen seines Fachwissens über alle Fraktionen hinweg anerkannter Agrarexperte. Schon damals vertrat er einen Kleinbauern gegen den Milliardär August von Finck und machte sich bundesweit einen Namen als Kämpfer für mehr Gerechtigkeit. 1970 wurde er zum Vorsitzenden des SPD-Bezirks Südbayern gewählt. Sein politischer Traum war damals, der erste bayerische Landwirtschaftsminister der SPD zu werden.

Georg Kronawitter wurde als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München für die Amtsperioden von 1972 bis 1978, sowie von 1984 bis 1993 gewählt. In den zwei Kommunalwahlen von 1984 und 1990 mit Georg Kronawitter als OB-Kandidat und als Nummer Eins auf der SPD-Stadtratsliste erlebte die SPD eine Renaissance. 1984 erhielt Kronawitter gegen den amtierenden CSU-OB 58 Prozent der Stimmen, 1990 gegen den bekannten CSU-Spitzenkandidaten Bundesminister Jonny Klein sogar 61,6 Prozent. Die CSU erlebte als Partei in München ihr Waterloo. In den zwei „Kronawitter-Wahlen“ 1984 und 1990 wurde sie von über 50 Prozent auf 30,1 Prozent dezimiert. Auch das war bundesweit einmalig. Die Münchner SPD konnte von 37 auf 42 Prozent zulegen, obwohl die Grünen mit 10 Prozent und die Republikaner mit 8 Prozent zusätzlich in den Stadtrat einziehen konnten. Kronawitter erwies sich – allen damaligen Widrigkeiten zum Trotz – als großes Zugpferd. Es war Georg Kronawitter, der 1990 das legendäre rot-grüne Bündnis im Münchner Rathaus begründete, das dann bis 2014 hielt.
Kronawitter setzte nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister 1990 Christian Ude sofort als Bürgermeister durch und schuf so für seinen Wunsch-Nachfolger beste Bedingungen: Drei Jahre war Ude an seiner Seite Bürgermeister. Ein paar Tage vor Kronawitters Rücktritt wurden die alten CSU-Referenten durch SPD-Fachleute ersetzt. Der Schuldendienst der Stadt war mit 11 Prozent der mit Abstand niedrigste der zehn größten deutschen Städte, im Wohnungsbau war München Spitzenreiter. Ude gewann die Wahl gegen Dr. Gauweiler im ersten Wahlgang mit 50,8 Prozent der Stimmen.
Nach seinem Ausscheiden als Oberbürgermeister kandidierte Kronawitter 1994 noch einmal zum Landtag. In seinem Stimmkreis München-Mitte holte er nicht nur das Direktmandat für die SPD zurück, sondern erreichte mit einem Zuwachs von 10,1 % auch den größten Erfolg aller 102 SPD-Stimmkreiskandidaten. Im Landtag kämpfte er vor allem für mehr Steuergerechtigkeit.
Von 1999 bis 2002 gewann ihn die Münchner Abendzeitung als ihren „Bürgeranwalt“. Auf Grund seiner Erfahrung und Verbindungen konnte er zahlreichen besonders bedürftigen Menschen helfen. Als „Bürgeranwalt“ festigte er auch noch nach seiner OB-Zeit bis fast zu seinem 75. Lebensjahr das Etikett „Anwalt der kleinen Leute“.
2005 kam es in der Hochhaus-Frage auf sein Betreiben hin zu einem Bürgerentscheid. Die Mehrheit der Abstimmenden war mit Georg Kronawitter am Ende der Meinung, dass die 100 Meter der Frauentürme für die ganze Stadt als Höchstmaß gelten sollten. Bis zuletzt engagierte er sich vor allem für soziale Gerechtigkeit und ganz besonders für die Wiedererhebung der Vermögenssteuer.

Anlässlich der Feier zur 70. Wiedergründung der Münchner SPD heuer im März ließ es sich Georg Kronawitter trotz Krankheit nicht nehmen, bei „seiner“ Partei zu sein – es war sein letzter öffentlicher Auftritt. Hier das letzte Foto, das ihn im Kreise der anderen Alt-OBs Hans-Jochen Vogel und Christian Ude sowie dem amtierenden Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigt:

70 Jahre Wiedergründung der SPD München
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